n° 2006/04

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   Neue Fallen für Arbeitgeber durch Inkrafttreten des Allgemeine Gleichbehandlungsgesetzes

Nach der nunmehr erfolgten Unterzeichnung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) durch den Bundespräsidenten ist das nicht nur im Vorfeld heftig umstrittene Gesetz am 18. August 2006 in Kraft getreten. Da für die arbeitsrechtlichen Benachteiligungsverbote keine Übergangsfristen vorgesehen sind, haben Arbeitgeber bereits unmittelbar seit dem Inkrafttreten die umfangreichen Diskriminierungsverbote zu berücksichtigen. Nach dem Motto "Meister, die Arbeit ist fertig, soll ich sie gleich reparieren?" ist allerdings aufgrund erheblicher redaktioneller Mängel bereits in allernächster Zukunft mit einer Änderung des mit heißer Nadel gestrickten Gesetzes zu rechnen. Betroffen ist hiervon jedoch lediglich das in der jetzigen Fassung vorgesehene Recht der Antidiskriminierungsverbände, Arbeitnehmer vor Gericht als Prozessbevollmächtigte vertreten zu können. Inhaltliche Änderungen der nachfolgend im Einzelnen dargestellten Pflichten der Arbeitgeber ergeben sich hieraus dagegen nicht.

1. Benachteiligungen
Das allgemeine Ziel des Gesetzes, mittelbare sowie unmittelbare Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern bzw. zu beseitigen, hat in der arbeitsrechtlichen Praxis zahlreiche Auswirkungen, weshalb die Bedeutung des AGG nicht unterschätzt werden darf. So fallen in den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes nicht nur die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit und den beruflichen Aufstieg, sondern auch die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere Weisungen und Anordnungen sowie Regelungen zum Entgelt und zur Entlassung.

Bei Kündigungen sollen allerdings gem. § 2 Abs. 4 AGG ausschließlich die Kündigungsschutzregelungen gelten, so dass folglich im Rahmen einer Sozialauswahl nach wie vor auf das Lebensalter als Auswahlkriterium abgestellt werden kann.

Dagegen handelt es sich bei den folgenden Beispielen um Situationen, in denen die Benachteiligungsfalle leicht zuschnappt:

  • Die Stellenausschreibung für eine im Sekretariat zu besetzende Stelle richtet sich an eine "Sekretärin".

  • Bei Bewerbungen werden alle Bewerber, die älter als 50 Jahre sind, bereits vorab aussortiert.

  • Formulierungen in Stellenausschreibungen heben die "dynamische Arbeitsatmosphäre in einem jungen Team" hervor oder fordern "Bewerbungen in deutscher Sprache" bzw. enthalten gewisse Alterseinschränkungen für Bewerber.

  • Gewissen Sonderleistungen werden lediglich in Abteilungen gewährt, in denen hauptsächlich Deutsche tätig sind.

  • Bei Gehaltserhöhungen oder Beförderungen werden sich in Elternzeit befindliche Arbeitnehmer nicht berücksichtigt.

  • Bei Belästigung eines ausländischen Arbeitnehmers durch andere Mitarbeiter greift der Arbeitgeber trotz Kenntnis hiervon nicht ein.

Vor allem mittelbare Diskriminierungen, wie beispielsweise die erwähnte Sonderzahlung an Abteilungen mit vornehmlich deutscher Besetzung, stellen sich als besonders benachteiligungsanfällig dar.

Zulässig können Benachteiligungen im arbeitsrechtlichen Bereich sein, wenn ein rechtmäßiger Zweck verfolgt wird und der Benachteiligungsgrund eine wesentliche, entscheidende und angemessene berufliche Anforderung darstellt. Allerdings werden hieran strenge Anforderungen gestellt, so dass die Benachteiligung nur dann gerechtfertigt ist, wenn sie wegen der Natur des Berufes unabdingbar ist. Ob in der Praxis hiervon tatsächliche Fälle erfasst werden, bleibt abzuwarten. Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist nach § 10 AGG dann zulässig, wenn sie objektiv und angemessen ist und durch ein legitimes Ziel gerechtfertig wird. Wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen müssen hier jedoch nicht vorliegen.

2. Belästigungsverbot
Gemäß der ausdrücklichen Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 2 und 3 AGG stellen auch jede Art von Belästigung, insbesondere eine sexuelle Belästigung, eine Benachteiligung dar, wenn dadurch die Würde der betreffenden Person verletzt wird. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine sexuelle Belästigung nicht nur bei sexuellen Handlungen, Aufforderungen und Bemerkungen vorliegt, sondern ebenso beim unerwünschten Zeigen und sichtbaren Anbringen von pornographischen Darstellungen.

3. Pflichten des Arbeitgebers
Im Einzelnen ergeben sich daraus folgende Pflichten des Arbeitgebers:

  •  die Pflicht, einen Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot auszuschreiben;

  •  die Pflicht, etwaigen Benachteiligungen vorzubeugen;

  •  die Pflicht, Verstöße seiner Mitarbeiter gegen das Benachteiligungsverbot zu unterbinden;

  •  die Pflicht, die Mitarbeiter darüber zu informieren, bei welcher Stelle (Vorgesetzter, Gleichstellungsbeauftragter oder spezielle Beschwerdestelle) Beschwerden vorgebracht werden können;

  •  die Pflicht, das AGG und die Klagemöglichkeiten im Falle eines Verstoßes gegen das AGG bekannt zu machen.

Darüber hinaus ist der Arbeitgeber verpflichtet, den durch den Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot entstandenen Schaden zu ersetzen, es sei denn, er hat ihn nicht zu vertreten. Dabei ist auch der immaterielle Schaden zu ersetzen. Insoweit haftet der Arbeitgeber selbst dann, wenn er den Verstoß nicht zu vertreten hat. Die schriftliche Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs durch Arbeitnehmer hat grundsätzlich innerhalb einer Frist von zwei Monaten zu erfolgen, innerhalb weiterer drei Monate ab der schriftlichen Geltendmachung muss Klage erhoben werden.

4. Rechte der Arbeitnehmer
Den betroffenen Arbeitnehmern steht bei Vorliegen einer Belästigung oder sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz außer den dargestellten Schadensersatzansprüchen neben einem Beschwerderecht bei der Beschwerdestelle ein Leistungsverweigerungsrecht zu, wenn der Arbeitgeber keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung der Belästigung ergreift.

Bei groben Verstößen gegen die Pflichten des Arbeitgebers nach dem AGG kann außer den betroffenen Arbeitnehmern auch der Betriebsrat ein Unterlassen bzw. die Vornahme einer Handlung oder deren Duldung durch den Arbeitgeber gerichtlich geltend machen.

5. Vertretungsrecht der Antidiskriminierungsverbände
Im Rahmen der gerichtlichen Geltendmachung ist gemäß § 11 ArbGG eine Vertretung durch Antidiskriminierungsverbände möglich. Diese Bestimmung steht § 23 AGG entgegen, der bestimmt, dass Antidiskriminierungsverbände gerichtlich nur als Beistände und auch nur dann auftreten dürfen, wenn eine Vertretung durch Anwälte nicht gesetzlich vorgeschrieben ist. Dieser § 23 AGG wurde in letzter Minute geändert, ohne hierbei auch den § 11 ArbGG zu ändern. Es ist deshalb damit zu rechnen, dass dieses Vertretungsrecht in § 11 ArbGG wieder gestrichen wird.

6. Empfehlung
Zusammenfassend empfehlen wir deshalb, eine Bestandsaufnahme, Analyse und Risikobewertung der aktuellen Situation vorzunehmen sowie risikovermeidende und -vermindernde Maßnahmen umzusetzen. Selbstverständlich unterstützen wir Sie gerne bei der Überprüfung betriebsinterner Arbeitsabläufe im Hinblick auf Diskriminierungspotentiale und bei der Entwicklung und Durchführung möglicher Abhilfemaßnahmen.

Auch für Rückfragen stehen wir selbstverständlich jederzeit zu Ihrer Verfügung.

 


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